Vom Fisch zum Menschen

Katia Trost
11 Feb, 2022

Jeder Mensch durchläuft im Laufe seiner individuellen Entwicklung (Ontogenese) Stadien von weniger entwickelten Spezien, siehe Grafik:1Grafik nach Stanley Keleman, Emotional Anatomy, Center Press, Berkeley, 1985, S. 85

Unsere Fähigkeiten und unser Seinszustand gleichen dann auch ein Stück weit unseren evolutionären Vorfahren, was ein kluger Schachzug der Natur ist. Denn die Fähigkeiten dieser Spezien haben wir ein Leben lang zur Verfügung.

Ineinander genestete hierarchisch angeordnete Stufen

Denn Entwicklung zeichnet sich durch das ineinander nesten von Entwicklungsstufen aus, die dennoch hierarchisch organisiert sind. Das heißt, dass spätere Entwicklungsstadien frühere einschließen. Frühere Entwicklungsstadien sind dabei nicht mehr der Alltagsmodus, stehen jedoch zur Verfügung, wenn höher entwickelte Systeme entweder versagen oder in der Situation nicht angemessen sind:

Auf der linken Seite der Grafik sieht man eine gesunde Entwicklung, wo höher entwickeltere Stufen niedriger entwickelte Stufen einschließen und im allgemeinen auch unterdrücken. Niedrigere Entwicklungsstufen stehen dann zur Verfügung, wenn sie eine bessere Anpassung an die Lebenssituation darstellen. Beispiel: Menschen gehen in der Regel, doch sie können auch krabbeln, wenn sie durch einen engen Tunnel durchmüssen. Kommt es zu einer Auseinandersetzung, ist die verbale Deeskalation die reifste Form mit dem Konflikt umzugehen. Allerdings kann sich zeigen, dass dies situativ dann doch nicht die angemessenste Reaktion ist, z.B., wenn man körperlich angegriffen wird. In so einem Fall hilft nur kämpfen oder flüchten. Kommt es hart auf hart, kann man sich immer noch tot stellen.

Auf der rechten Seite sieht man eine Teilentwicklung, die bei Entwicklungslücken typisch ist. Dieses Konstrukt ist sehr anfällig für ungewollte Regressionen, das Zurückfallen auf niedrigere Entwicklungsstufen bei Überforderung und Stress. Das liegt daran, dass die einzelnen Entwicklungsstufen nicht ausreifen durfen, was automatisch auch dazu führt, dass sie sich nicht miteinander vernetzen. Höhere Entwicklungsstufen werden dann bei erhöhter Anforderung von unteren Entwicklungsstufen übernommen, weil die höhere Entwicklungsstufe nie ihre volle Funktionalität entwickelt hat. Beispiel: Jemand möchte etwas über den Kopf heben. Doch dabei wird ein frühkindlicher Reflex ausgelöst, der den Betroffenen in die Knie zwingt. Oder bei einer Eskalation, die hätte verbal gelöst werden, gerät der Angegriffene in Panik, schlägt zu oder erstarrt.

Nicht so ideal für den Menschen ist es also, wenn man teilweise in einem frühen Entwicklungsstadium stecken bleibt…Doch das kommt nicht so selten vor, wie man glauben mag. Daher ist das Wissen über die Eigenschaften der einzelnen Entwicklungsstufen hilfreich, um Entwicklungslücken zu erkennen und zu schließen.

Eigenschaften der einzelnen Entwicklungsstufen

Im Folgenden wird die individuelle menschliche Entwicklung vom Fisch zum Menschen nachvollzogen.

Fisch

Der Zustand:

Im Mutterleib schweben wir im Fruchtwasser und erleben daher einen Zustand von Schwerelosigkeit. Noch müssen wir noch nicht mit der Schwerkraft umgehen können.

Was man kann:

Sollte die Mutter in eine stressige Situation kommen oder kommt es gar zu einer Beeinträchtigung des Fruchtwassers, haben wir bereits ab der 5. Woche im Mutterleib die Möglichkeit zu erstarren (Freeze). Möglich macht dies die Furcht-Lähmungs-Reaktion, die auch mit einer Ausschüttung von Kortisol einhergeht und so auch unseren Stoffwechsel in Teilen verlangsamt. Das hat den Vorteil, dass der Mutter mehr Nährstoffe für eine Verteidigung bleiben und auch Gifte wirken weniger gefährlich, wenn die Zellen teilweise dicht machen. Nachteil des Ganzen ist natürlich, dass jede gesunde Entwicklung Nährstoffe braucht und dass die Starre, sollte sie dauerhaft sein, nicht gerade für einen schönen Start ins Leben steht. Auch im Erwachsenen Alter erstarren wir manchmal wie ein Kaninchen vor der Schlange. Geraten wir in einen Schockzustand, ähnelt der Zustand ebenfalls dem Stillstand der Furcht-Lähmungs-Reaktion: in beiden Fällen warten wir auf bessere Zeiten.

Was man noch nicht kann:

Sich koordiniert bewegen. Auch die Haut eines Säuglings im frühen Stadium der Schwangerschaft ist nicht so dick wie die Haut eines Babies, was bereits auf der Welt ist. Embryos sind ja auch fast durchsichtig, sodass man die Organe durch die Haut sehen kann. Durch die Dunkelheit und Wärme des Mutterleibs braucht sich der Embryo auch nicht gegen Außenreize zu wehren, alles wird durch den Bauch der Mutter abgedämpft. Das Baby wird durch die Placenta und später die Nabelschnur versorgt. Dass heißt, es besteht selbst in Bezug auf einfache Akte wie Schlucken wenig Selbständigkeit. Bewegungen gleichen eher einem Zucken. Gedanken und Gefühle sind in frühen Stadien der Gehirnentwicklung eher Schatten, die nicht richtig eingeordnet werden können– doch im Zellgedächtnis sind sie dennoch gespeichert.

Wie sich Entwicklungslücken zeigen:

Weist ein Mensch noch starke Züge der Fisch Periode auf, können einzelne Störungen eine Verbindung zu diesem frühen Stadium aufweisen:

  • Persistierende Furcht-Lähmungs-Reaktion
  • Durchscheinende Haut, Venenzeichnung
  • Hohe Empfindlichkeit für Umweltreize
  • Zusammengesackte Haltung
  • Im Verhältnis zum Körper zu großer Kopf (bei Kindern häufig)
  • Betroffener wirkt schutzbedürftig, zart und auch kindlich
  • Wenig Stresstoleranz, Bedürfnis sich zurückzuziehen und wie ein Baby einzurollen
  • Probleme mit den Nebennieren, unter Umständen erst erhöhte Kortisolwerte, später Nebennierenerschöpfung
  • Es besteht sehr wenig Wahrnehmung für sich selber, seine Gedanken, Gefühle und seine Körperfunktionen (Tränende Augen werden nicht wahrgenommen, Essen um den Mund herum stört nicht)
  • Es besteht die Möglichkeit von Verdauungsbeschwerden durch Unreife der Verdauungsorgane, das Immunsystem kann mangelhaft entwickelt sein.

Der Übergang zum Reptil:

Jede sich anschließende höhere Entwicklungsstufe erweitert auch die Fähigkeiten der Eigenwahrnehmung (Propriozeption). Durch diesen “Abstand” kann man häufig erst wahrnehmen, in welchem Zustand man sich befand, also im Prinzip, wenn man auf dem Weg aus diesem heraus ist.

Beim Übergang zum Reptilstadium kann es daher zu einer Wahrnehmung der eigenen Hilflosigkeit und Überforderung kommen, die häufig durch eisernen Willen täglich weg gedrückt worden ist.

Hinzu kommt auch, dass Kompensierungen, die sich der Betroffene aufgebaut hat, durch das Neurotraining (manchmal aber auch durch hormonelle Umstellungen/Stress) aufbrechen und der wahre Entwicklungsstand wird sichtbar. Im Neurotraining handelt es sich immer um einen vorübergehenden Zustand, der schon sehr bald durch Fähigkeiten eines höher entwickelten Nervensystems abgelöst wird.

Es zeigen sich dann schon erste Zeichen des Reptilzustands, der deutlich symptatikotoner ist, was ungewohnt sein kann, wenn man bislang eher parasimpathikoton unterwegs war durch den nicht myelinisierter Ast des Parasympathikus, der für Starre und nicht für Entspannung sorgt.

Reptil

Der Zustand:

Reptilien sind nicht gerade kuschelige Wesen. Sie empfinden Berührungen als Bedrohung, reagieren blitzschnell, wenn sie sich angegriffen wähnen und viel mehr als essen, kämpfen, sich vermehren und schlafen gibt es in ihrem Leben nicht. Auch Babies sind von ihrer Hirnstruktur her nicht so sehr anders, wie man durch neuere Hirnforschungen weiß: “Neugeborene sind nicht sehr sozial; sie schlafen die meiste Zeit und wachen auf, wenn sie hungrig oder nass sind. Nachdem sie gefüttert wurden, schauen sie sich vielleicht eine Weile um, werden unruhig oder starren, aber bald schlafen sie wieder und folgen ihrem eigenen inneren Rhythmus. Zu Beginn ihres Lebens sind sie den wechselnden Gezeiten ihres sympathischen und parasympathischen Nervensystems ausgeliefert, und ihr Reptiliengehirn steuert den größten Teil der Show. Aber Tag für Tag, wenn wir sie angurren, anlächeln und angackern, stimulieren wir das Wachstum der Synchronität im sich entwickelnden myelinisierten Vagus Nerv. Diese Interaktionen tragen dazu bei, die emotionalen Erregungssysteme unserer Babys mit ihrer Umgebung in Einklang zu bringen. Der myelinisierte Vagus Nerv steuert das Saugen, Schlucken, den Gesichtsausdruck und die vom Kehlkopf erzeugten Laute. Wenn diese Funktionen bei einem Säugling stimuliert werden, gehen sie mit einem Gefühl der Freude und Sicherheit einher, das die Grundlage für das gesamte spätere Sozialverhalten bildet.”2Kolk, Bessel van der. The Body Keeps the Score: Mind, Brain and Body in the Transformation of Trauma . Penguin Books Ltd. Kindle-Version, bezugnehmend auf Porges Theorie des myelinisierten Vagus Nerv.

Was man kann:

Babies können sich im Stadium des Reptiliengehirns praktisch nur laut bemerkbar machen. Sie erwarten, dass ihre Bedürfnisse erkannt und sofort befriedigt werden. Der Moro Reflex ist in diesem frühren Stadium noch (teil)aktiv und auch die Nebennieren sind häufig im adrenergen Zustand. Denn auch, wenn man noch nicht aktiv fliehen oder kämpfen kann (fight/flight), so sind bereits alle Muskelgruppen aktiv, die einem diese Tätigkeiten später ermöglichen, genauso wie die innere Aktivierung, die mit diesen Zuständen einher geht. Sind Kinder etwas älter, kommen sie in die “Dino Phase”: es wird viel gekämpft und am Ende stirbt immer einer. Auch die “Nein” Phase, die mit ca. 2 Jahren eintritt wird mit Hilfe der Durchschlagskraft des “me, me,me” Hirnstamms vollbracht.

Was man noch nicht kann:

In diesem Stadium müssen Babies stark von außen reguliert werden, da sie kaum Selbstwahrnehmung haben und auch nicht immer so genau wissen welches Bedürfnis sie lauthals kund tun. Es ist die Aufgabe der Eltern das Baby dann zu versorgen. Dazu gehört gerade in diesem Stadium viel Körperkontakt, Augenkontakt und auch die Vermittlung eines Gefühls von Geborgenheit. Schon in diesem Stadium können Kinder Zustände der Eltern wahrnehmen und nach ein paar Wochen auch spiegeln und darauf reagieren. Schließlich sind auch Chamäleons Reptilien. Durch ihre große Abhängigkeit von den Eltern bleibt den Kleinen nicht viel anderes übrig als sich anzupassen und durch ihr eigenes Verhalten die Umwelt in ihrem Sinne zu manipulieren, was heißt: “Verlass mich nicht, füttere mich und füge mir keinen Schmerz zu!” Einige Babies werden gefällig, andere schreien den ganzen Tag. Getan wird, was die Eltern mobilisiert. Das Baby wird schnell von Empfindungen überwältigt, während Gefühle wie Hass, Liebe, Konkurrenz sich erst richtig ausprägen müssen. Es besteht anfänglich kein Bewusstsein für die Subjekthaftigkeit der Eltern. Schließlich ist man symbiotisch mit der Mutter verschmolzen und weiß bis ca. zum 3-4 Lebensjahr nicht so richtig, dass man ein eigenes Lebewesen ist. In einer Übergangsphase, raus aus der Symbiose, sind dann alle anderen Objekte, die es aus der Mitte seiner kleinen Welt zu kontrollieren gilt. Mitgefühl, Empathie usw. müssen sich erst entwickeln, können aber im Sinne einer Überlebensstrategie simuliert werden. Es geht aber in Wirklichkeit nicht um den anderen, denn diesen kann man ja als Subjekt noch nicht erkennen. Das Weltbild ist einfach: Feind oder Freund, meins oder nicht meins.

Wie sich Entwicklungslücken zeigen:

Weist der Betroffene noch starke Züge des Reptilienstadiums auf, kann es zu folgenden Erscheinungen kommen:

  • Bedürfnisse müssen sofort erfüllt werden
  • Situationen werden immer zunächst nach Bedrohungspotential abgeklopft
  • Sollte es im Elternhaus nicht zu liebevollen Berührungen gekommen sein, kann der Betroffene diese als eher unangenehm empfinden und Körperkontakt meiden (oder gerade mal beim Sex ertragen)
  • Schwarz-weißes Weltbild
  • Verhandeln, vermitteln und verbal kommunizieren können schwer fallen– im Extremfall wird impulsartig geschlagen oder weg gerannt
  • Bedrohungssituationen können von starker Angst begleitet sein, die auch dazu führt, dass der Betroffene um sich schlägt oder in einen Blutrausch gerät
  • Wenig ausgeprägte Gesichtsmimik und Körpersprache, auch bei anderen Menschen können Mimik und Gestik oft nicht richtig interpretiert werden
  • Wenig Fähigkeit die eigenen Gefühle einzuordnen, oft fühlt sich der Betroffene diesen ausgeliefert
  • Konzentrationsschwierigkeiten, da der Hirnstamm die Arbeit des Frontalkortex stört
  • Eigennützigkeit: wie kann ich die Situation zu meinem Besten wenden?
  • Eigenmächtigkeit wird häufig durch Manipulation der Umwelt ausgedrückt
  • Mangelnde Bindungs- und Beziehungsfähigkeit: Geben und Nehmen halten sich nicht die Waage
  • Mangelnde Abgrenzungsfähigkeit, Angst eingenommen zu werden oder am anderen Ende des Spektrums entsteht Abhängigkeit, oft auch im Wechsel
  • Bei persistierendem Moro Reflex (kindliche Schreckreaktion) hält Stress oft noch für Stunden an, da das Nervensystem sich nicht eigenständig runter regulieren kann – da auch die Nebennieren durch den Moro Reflex die Stresshormone Kortisol und Adrenalin in den Körper feuern, kann es auch zur Überstimulierung und späteren Erschöpfung der Nebennieren kommen
  • Bedürfnisse können oft nicht genau wahrgenommen und benannt werden, man ißt wahllos und schläft mit Partnern, die vielleicht sexuell attraktiv sind oder auch nur da, ohne dass sie einem etwas bedeuten
  • In der Psychostruktur besteht wenig Fleixibilität, Veränderungen können als bedrohlich empfunden werden – genauso wie kleine Kinder es tun, kann es dann sein, dass einem die Freundin auf die Schuhe starrt, die sie nicht mag, weil man sie eben auch sonst nie anhat. Und genauso wie ein kleines Kind die Mami unter Umständen nicht erkennt, wenn sie stark geschminkt ist, kann es sein, dass die Freundin einen leeren Gesichtsausdruck ihrers Freundes erntet, wenn sie Make-up trägt
  • Die Zukunft planen, mit der Vergangenheit aufräumen fällt schwer
  • Routinen geben halt
  • Ereignisse können oft nicht in “Echtzeit” verarbeitet werden – man muss sich zurückziehen, um runter zu kommen, um sich selber zu spüren
  • Reaktionen sind insgesamt reflexartig und wenig refletiert, Bewegungen können häufig nicht bewusst ausgeführt werden, es fehlt an Koordination und Feinmotorik – zumindest auf Teilgebieten– Muskeln machen was sie wollen, nicht was sie sollen
  • Basalsinne sind schlecht eingerichtet und koordiniert: Körpereigenwahrnehmung (Propriozeption), Gleichgewicht (Vestibulärapparat) und aufrechte Körperhaltung lassen zu wünschen übrig
  • Gerannt wird im Extremfall im “Dino Gang”, den man auch bei kleinen Kindern sehen kann, die noch nicht lange laufen: Po nach hinten, Oberkörper nach vorne, der Kopf steht vor. Die Arme sind leicht nach vorne gestreckt, angewinkelt und bewegen sich beim Laufen gemeinsam nach links und rechts, während die Hände leicht gespreizt nicht so recht wissen, was sie machen sollen. Es wird gewatschelt und der Oberkörper wirkt steif.
  • In diesem Stadium dominieren frühkindliche Reflexe, die bei einer “Reptil Thematik” eigentlich auch immer persistieren

Der Übergang zum Säugetier:

Beim Übergang zum Säugetier entdecken Kinder das Teilen und echtes Mitgefühl. Es wird ihnen immer bewusster, dass sie Teil einer Gruppe sind und nicht alleine auf der Welt. Das limbische System entwickelt sich weiter, sodass Gefühle anfangen eine große Rolle zu spielen. Genauso wie Identität. Das Kind sieht sich im Spiegel und sagt “ich”. Bei einer gut abgelaufenen Reptilphase kann sich das Kind erfolgreich aus der Symbiose, also Verschmelzung mit den Eltern, lösen. Mit dem Erkennen der eigenen Subjekthaftigkeit, kann es zunehmend auch andere Menschen wirklich erkennen. Auch Unterscheidungsfähigkeit wird gestärkt. Bedürfnisse können genauer erkannt und benannt werden. Das Kind ist nicht mehr ganz so abhängig wie als Kleinstkind und wird auch in Bezug auf Gesellschaft wählerisch (ein erstes Zeichen dafür ist das Fremdeln). Das Kind fängt an in verschiedene Rollen zu schlüpfen (nun gibt es auch Löwen und Ritter, nicht nur Dinos) und orientiert sich zunehmend nicht nur mehr an den Eltern. Regeln können nun schon ansatzweise befolgt werden, Bedürfnisse können auch mit etwas Verzögerung befriedigt werden. Die Koordination nimmt zu, schließlich sind Säugetiere motorisch viel geschickter als Reptilien, die sich meist irgendwie durch Schlangenlinien bewegen. Das Interesse für den eigenen Körper erwacht, die eigenen Gliedmaßen werden untersucht, das Kind freut sich, wenn man es fragt: Wo ist deine Nase? Wo sind deine Augen? Über Gesichtsmimik und Gesten kann das Kind sich auch ohne Sprache sehr gut mitteilen – vorausgesetzt, dass das Kind von den Eltern angemessen gespiegelt wurde. Geschichten mit Tieren und Familien werden interessant. Das Kind nimmt sich als Teil eines Familiensystems wahr.

Säugetier

Der Zustand:

Säugetiere sind viel sozialere Wesen als Reptilien. Dementsprechend wird Sprache wichtig, wenn auch nur durch Laute, Gestik und Mimik. Es gibt klare Hierarchien innerhalb der Gruppe, Machtverhältnisse und Optik spielen eine Rolle. Kooperationen und Strategien können innerhalb der Gruppe ausgehandelt werden, somit lassen sich Ansätze eines Intellekts und Zeitbewusstseins ausmachen. Säugetiere können auch durchaus Trauer oder Freude empfinden und ausdrücken. Auch individuelle Persönlichkeiten lassen sich ausmachen. Anders als bei den Reptilien, findet auch eine Brutpflege statt. Diese dauert nicht so lange wie bei dem Menschen, der durch seinen im erwachsenen Alter großen Kopf (welcher ein großes Gehirn beherrbergt), nicht gleich ausgewachsen auf die Welt kommen kann. Denn ein erwachsener Kopf passt durch kein Geburtskanal. Die Natur hat sich also überlegt, dass die Gehirnkapazität durchaus dem Stadium entsprechen kann, wo sich das Kind befindet. Weniger komplexe Fähigkeiten verlangen ein weniger komplexes Gehirn. Ein weniger komplexes Gehirn darf auch kleiner sein. Wir kommen also mit einer abgespeckten Version, einer minimalen Gehirnausstattung auf die Welt, haben aber die Möglichkeit des Updates des Nervensystems mitbekommen. Auch an “Software” ist noch nicht so viel drauf. Doch auch hier hat uns die Natur Instrumentarien an die Hand gegeben diese zu erwerben, nämlich durch die frühkindlichen Reflexe, die als Brücke zu höheren Entwicklungsstufen dienen, als auch der Annahme, dass wir von unseren Eltern alles “downloaden” können, was wir brauchen, um in die volle Ausstattung der Spezies Mensch zu gelangen. Im Säugetierzustand erlernen wir also die Basics des Menschseins, nämlich dass wir in einem sozialen Gefüge eingebunden sind.

Was man kann:

In der Säugetierphase fangen beide Gehirnhälften an sich miteinander zu vernetzen. Die rechte Gehirnhälfte, die im präverbalen Alter viel aktiver ist, bekommt, wenn alles gut gegangen ist, durch die linke Gehirnhälfte einen Ausdruck. Die linke Gehirnhälfte, die für Sprache und Schrift zuständig ist, entwickelt sich langsam. Durch diese Entwicklung wird die Welt des Kindes auch weniger magisch. Das Kind versteht, dass es nicht weg ist, wenn es einfach nur die Augen schließt. Es versteht irgendwann auch, dass es kein Löwe ist, auch wenn es ihn nachahmen kann und so ausprobieren kann wie es ist groß und stolz zu sein. Der Erwerb von Fähigkeiten wird wichtig und muss anerkannt werden: “Schau mal, was ich kann!”. Trotz eines Rests an Selbstbezogenheit, versteht sich das Kind nun mehr als Teil der Gruppe, erst seiner Familie, dann von Gleichaltrigen. Intime Beziehungen werden wichtig, erst beste Freunde, dann mit dem Eintritt der Pubertät auch Sexualpartner. Das analytische Denken prägt sich aus, Gefühle und Bedürfnisse werden zwar immer noch wahrgenommen, sie bestimmen jedoch nicht alleinig eine Entscheidung.

Was man noch nicht kann:

Echte Individuation und Individualität ist noch kein Merkmal der Säugetierphase. Das Kind experimentiert zwar mit Identitäten und Grenzen, doch eine eindeutige und in sich geformte Persönlichkeit lässt sich erst ab der mittleren Pubertät erkennen. Noch ist der menschliche Körper nicht zur Selbstregulation fähig. Damit kann man von Kindern auch nicht erwarten, dass sie ausgewogene und rationale Entscheidungen treffen, die das Wohle aller berücksichtigen. Kinder sind immer noch von der Regulation der Eltern abhängig, die das Kind zu seinem Wohle ermutigen aber auch begrenzen müssen. Auch die Motorik und Sensorik sind noch nicht ganz ausgeprägt, der Mensch ist noch nicht ausgewachsen.

Wie sich Entwicklungslücken zeigen:

Sollte die Säugetierphase nicht gut durchlaufen worden sein, kann es zu folgenden Erscheinungen kommen:

  • Es besteht die Angst ausgegrenzt und aus der Gruppe verstoßen zu werden
  • Man wartet auf Zustimmung und Erlaubnis, um sein zu dürfen, wer man ist
  • Statussymbole und Machtdemonstrationen durch Leistung bleiben wichtig
  • Man passt sich den Erwartungen anderer zu sehr an, sowohl in Bezug auf Freunde, Partner und dem Chef, doch auch als Bürger ist man eher “brav”
  • In einigen Fällen muss die noch nicht ganz gelungene Individuation weiter durch teenagermäßiges rebellisches Verhalten ausgedrückt werden, z.B. durch passive Aggressivität oder sinnlose Opposition
  • Der Umgang mit Autorität gelingt nicht– man kann nicht folgen wo es sinnvoll wäre, ordnet sich unter wo man Widerstand leisten sollte
  • Dramatische Liebesbeziehungen spielen sich ab, Trennungen können oft Jahre später noch nicht verarbeitet werden– man wartet auf den idealen Traumpartner und verpasst dabei häufig den passenden Partner
  • Sollte die sexuelle Entwicklung nicht optimal abgelaufen sein, gibt es eine Neigung zur Brüderchen-Schwesterchen Beziehung oder man sucht sich keinen Mann oder eine Frau, sondern das Elternteil für seine Kinder
  • Wenn die Integration frühkindlicher Reflexe nicht gelungen ist, gibt es Störungen in der Haltung und im sensorischen Apparat
  • Die Verknüpfung der linken und rechten Gehirnhälfte ist nicht gut gelungen, Abstraktes und Konkretes können nicht miteinander verbunden werden, wodurch Kreativität sich nicht ausdrücken kann
  • Die Fähigkeit in der Welt und im eigenen Leben Muster zu erkennen kann schlecht ausgeprägt sein– sollten sie erkannt werden, fehlt die Fähigkeit Lösungen für die konkrete Situation zu finden
  • Man kann Methoden und Fähigkeiten nur übernehmen und kopieren, erschafft jedoch selten etwas Eigenes– Methoden können nur durch kleinschrittige Instruktion erlernt werden
  • Lernen kommt durch stetige Wiederholung, nicht durch das sofortige lernen aus Erfahrung und der dazu passenden Erkenntnis, die dazu ermächtigt Situation in Zukunft vorweg zu nehmen und diese zu vermeiden
  • Das analytische Denken ist wenig ausgeprägt, Probleme können nicht rückwärts aufgerollt werden, damit die Ursache erkannt und beseitigt werden kann
  • Das Betrachten einer Sache von mehreren Perspektiven fällt schwer– vielleicht kann 1-3 Schritte vorausgedacht werden, nicht jedoch wie sich Handlungen 10-20 Schritte vorwärts im eigenen Leben und in der Gesellschaft auswirken werden
  • Analytische Entscheidungen können nicht getroffen werden, da sie von überwältigenden Gefühlen blockiert werden
  • Disziplin, also nach dem Unterschied zu handeln zwischen dem, was man sofort möchte und dem, was man am meisten möchte, fällt immer noch schwer
  • Paradoxe können nicht gut gehalten werden, das “sowohl als auch” fällt schwer

Der Übergang zum Menschen:

Bis zum 21. Lebensjahr sollte der Mensch vollständig dazu in der Lage sein sich selber zu regulieren, d.h., ohne Hilfe von außen ausgewogene Entscheidungen treffen können. Sollte Bindung gelungen sein, ist der junge Erwachsene nun auch beziehungsfähig und kann in einem ausgeglichenen Verhältnis geben und nehmen. Der Umgang mit Sexualität durfte erlernt werden. Sexualpartner werden im Idealfall nicht mehr nur nach Hormonstatus ausgewählt, sondern auch nach dem Charakter. Als junger Erwachsener ist die Zustimmung der Gruppe noch wichtig, genauso wie der Wunsch sich zu beweisen. Beziehungen können in dieser Phase in ihrer Bedeutung überdramatisiert werden, sodass Bücher wie die “Leiden des jungen W.” von Goethe geschrieben werden – wobei solch Drama eigentlich schon ein Beweis dafür ist, dass die Symbiose vielleicht doch nicht so optimal abgelaufen und beendet worden ist. Dennoch ist es normal, dass die eigene Identität in dieser Phase noch stark von der Spiegelung durch einen romantischen oder sexuellen Partner abhängt. Im Idealfall sind nicht nur die frühkindlichen Reflexe integriert (ca. nach 12 Monaten), sondern auch die sensorische und bilaterale Integration vollbracht (nach 7 und 21 Jahren).

Mensch

Der Zustand:

Unserer Auffassung nach befindet sich der Mensch bis zum 21. Lebensjahr eher in einem Zustand, der den Säugetieren entspricht. Das spezifisch menschliche entwickelt sich erst und wird auf dem Weg zum Erwachsen werden immer sichtbarer. Die Reifung des physischen Körpers mit allen seinen Komponenten (Nervensystem, Hormonsystem, Immunsystem) ist die Voraussetzung für die emotionale Reife, die wiederum Voraussetzung für höhere Entwicklungsstufen des Gehirns ist, die ein Erwachsener durchlaufen kann. Somit sind Menschen bis zum Erwachsen werden damit beschäftig alle Fähigkeiten zu erwerben, die sie in ihrem Werkzeugkasten haben sollten, um dann mit ihrer Individuation richtig los zu legen. Das heißt, dass die persönliche Entwicklung und die Ausschöpfung des individuellen Potentials dann erst los gehen können. Läuft alles wie es soll, ist der Mensch nun zur Selbst-Transformation fähig. Dazu gehört auch die Fähigkeit zur Kreativität. Er braucht keine Therapeuten oder Coaches mehr, die ihn spiegeln, nähren und stützen. Eine Information genügt und eine kurze Phase der Übung. Transzendenz fängt an eine Rolle zu spielen: Wer bin ich wirklich? Sind wir alleine im Universum? Was ist für mich Spiritualität?

Was man kann:

Emotionale Reife und die Fähigkeit sich selber zu regulieren sollten ab dem 21. Lebensjahr zur Grundausstattung gehören. Dadurch ist es möglich Pläne zu verfolgen, die Befriedigung von Bedürfnissen zu verzögern, in menschlichen Beziehungen gute Kompromisse zu machen. Man macht sich nicht zum Opfer. Es wird aktiv an der Lösung von Problemen gearbeitet. Dazu gehört durchaus der Wunsch nach Selbstoptimierung. Doch diese wird betrieben, damit sich das wahre Ich immer besser ausdrücken kann und nicht, um Zustimmung und einen Platz in der Gesellschaft zu bekommen oder zu behalten. Freunde, Partner und Berufe werden nur gewählt, wenn sie die eigene Individualität unterstützen und fördern– erst dann werden Kompromisse eingegangen. Ziel ist grundsätzlich das win-win-win: was ist das Beste für mich, für dich und die Gesellschaft als Ganzes? Mit der eigenen Vielschichtigkeit wächst auch der Wunsch diese im Außen und in seinen Beziehungen abzubilden. Der Wunsch nach einem Partner mit den vier “Jas” wächst: erotische Anziehung, emotionale Verbindung, mentale Verbindung und spirituelle Verbindung. Gleichzeitig wächst die Fähigkeit zur Autonomie. So kann Intensität gelebt und gehalten werden, ohne dass man sich in dieser verliert oder an dieser verbrennt. In der Gesellschaft lässt man sich nicht auf eine Rolle abonnieren, als Anwalt ist man zuverlässig und rational, doch nach Feierabend kann man sich sinnlich zu Tango Musik bewegen und seinen Kindern ist man ein liebevolles Elternteil. Es wird Wert auf eine pluralistische und demokratische Gemeinschaft gelegt. Hierarchien werden als wichtiges ordnendes Prinzip verstanden, solange sie situativ und fleixibel eingesetzt werden, statt autoritär. Alle Entwicklungsschritte eines Menschen und von Gesellschaften werden geachtet, wobei gleichzeitig Weiterentwicklung gefördert wird. Das Bewusstsein für die Funktionalität des Ganzen ist gestärkt– man “löst” keine Probleme, die an anderer Stelle wieder auftauchen. Echte Nachhaltigkeit ist eine Selbstverständlichkeit.

Was man noch nicht kann:

Das Erwachsensein entwickelt sich in Etappen, dementsprechend sind Kinder keine kleinen Erwachsenen. Dies zu berücksichtigen ist sehr wichtig, denn eine Überforderung von Kindern (mental, emotional, körperlich), indem sie zu früh in Positionen herein gedrängt werden, für die sie noch nicht reif sind, ist ein Garant für Entwicklungslücken. Bereits scheinbare Kleiningkeiten, wie z.B. Kinder, die noch nicht laufen können, in Laufwagen oder Hüpfsitze zu packen, können die neurologische Entwicklung nachhaltig beeinträchtigen. Kleinen Kindern keine Grenzen aufzuzeigen und sie viel zu früh an demokratischen Prozessen zu beteiligen, indem z.B. mit 3-jährigen die Bettgehzeit verhandelt wird, produziert haltlose und nicht reife Kinder. Es gibt einen Sinn dahinter, dass die volle Geschäftsfähigkeit in Deutschland erst ab 18 Jahren gegeben ist. Man kann Kindern durchaus zumuten mit ihrem Taschengeld kleine Investitionen zu machen, doch weitreichende Vertragsabschlüsse sollten auch im Jugendalter noch von Erwachsenen unterstützt werden, die dem Jugendlichen die Perspektiven und Konsequenzen des Geschäfts aufzeigen können. Je kleiner das Kind ist, desto mehr muss es sich auch bewegen. Langes Stillsitzen und pausenlose analytisch-mentale Tätigkeit ersticken die Kreativität. Außerdem sollte man sich nicht wundern, wenn die Sinnlichkeit bei Erwachsenen auf der Strecke bleibt, wenn die entsprechenden sensorischen Reize in der Kindheit nicht gesetzt worden sind (hören, riechen, schmecken, fühlen, sehen), weil die virtuelle Realität die echte Realität abgelöst hat.

Die weitere Entwicklung des Menschen:

Die menschliche Entwicklung hört mit dem Erwachsensein nicht auf. Entwicklung ist immer nach oben offen. Kennzeichnend für Entwicklung ist eine Zunahme an Komplexität und die Fähigkeit die Realität von mehreren Perspektiven betrachten zu können, die gleichzeitig nebeneinander stehen können. Außerdem werden immer mehr innere und äußere Vorgänge zum Objekt gemacht, das heißt, sie können mit Abstand betrachtet werden. Nur dadurch bricht das Ich, die innere Persönlichkeit, nicht jedes Mal zusammen, wenn sich Veränderungen aus dem inneren des Körpers oder von außen einstellen. Das Selbst wird immer selbst-gewahrsamer und dadurch auf scheinbar paradoxe Weise auch immer mehr fähig mit der Umwelt in Kontakt zu gehen. Intimität und Intensität nehmen zu, indem sich immer mehr Dimensionen eröffnen. So ebnet sich der Weg für den 7. Sinn und auch die Super-Intuition– wenn man Dinge einfach weiß, weil man dazu in der Lage ist Informationsfelder anzuzapfen, die über die rein sinnliche, emotionale und mentale lokale Ebene des Gehirns hinaus gehen.

Für einen jungen Erwachsenen stehen damit als nächstes zwei Entwicklungsstufen des Gehirns an, die von dem Entwicklungspsyychologen Robert Kegan “Self-Authoring Mind” und “Self-Transforming Mind” genannt wurden.3sehr schon dargestellt in: McNamara, Rob. The Elegant Self: A Radical Approach to Personal Evolution for Greater Influence In Life (Kindle-Position629). Performance Integral. Kindle-Version.

Self-Authoring Mind4McNamara, Rob. The Elegant Self: A Radical Approach to Personal Evolution for Greater Influence In Life (Kindle-Positionen772-777). Performance Integral. Kindle-Version.

Identität: Die Fähigkeit, von innen heraus zu schreiben, zu schaffen und zu erneuern

Standort: Im Inneren der Selbstautorschaft

Substanz: Selbstgesteuerte Vision

Funktionsweise: Neugestaltung sozialer, kultureller und relationaler Kontexte durch die inneren Intelligenzen des Selbst

Typisch für diese Phase ist das Bedürfnis nach Autonomie. Man ist stolz darauf auch ohne Partner im Leben klar zu kommen, man kann mit sich alleine sein. Beruflich kann man gegen den Strom schwimmen, weil man an sich selbt glaubt. Es können Dinge erschaffen werden, die in der Gesellschaft keine Zustimmung erfahren, weil sie ihrer Zeit vielleicht voraus sind oder nur eine Minderheit interessieren. Die eigene geschlechtliche und persönliche Identität wird gewahrt, indem man sagt: “So bin ich halt, du kannst gehen, wenn es dir nicht passt”. Bedürfnisse und Eigenschaften sind (noch) identitätsbildend: “Ich fühle mich nicht weiblich, wenn ich den ganzen Tag im Jogging Anzug herum laufe” oder “Ich drehe durch, wenn ich nicht zum Sport darf!”. Für viele Menschen ist diese Phase synonym mit persönlicher Entwicklung. Es geht darum herauszufinden, welche individuellen Eigenschaften zu einem gehören und welche nicht. Somit hat dieser Zustand auch automatisch etwas Ab- und Ausgrenzendes.

Self-Transforming Mind5McNamara, Rob. The Elegant Self: A Radical Approach to Personal Evolution for Greater Influence In Life (Kindle-Positionen1223-1227). Performance Integral. Kindle-Version.

Identität: Das sich durchdringende Selbst oder die Durchdringbarkeit von Selbstsystemen

Standort: Außerhalb der Polarität, innerhalb des unitiven/integrativen Raums

Substanz: Dialektische ko-kreative Verbundenheit

Funktionalität: Verbesserte Intimität, dynamische ko-kreative Grenzen, spontane Einstimmung, Konfliktvertrauen und ein breiteres Spektrum an Kreativität

Im Self-Transforming-Mind kommt man seinen eigenen Limitierungen irgendwann auf die Schliche. Während es zwar schön ist sich als Frau ein tolles Kleid anzuziehen, merkt man, dass die Jogging Hose einen in seiner Weiblichkeit nicht reduzieren kann, wenn die weibliche Identität echt ist. Die Welt bricht nicht zusammen, wenn man einmal nicht zum Sport kann– auch wenn man es gerne macht und es gut tut. Man ist viel besser dazu in der Lage flexibel auf das Leben zu reagieren. Disziplin ist zwar wichtig, doch wird sie nicht ohne Rücksicht auf die Umstände durchgezogen. Man sensibilisiert sich für subtile Strömungen in sich selber und in der Gesellschaft und kann daher zur richtigen Zeit am richtigen Ort agieren. Die Identifikation mit bestimmten Kategorien hört auf. Während man sich im Self-Authoring-Mind noch zwingend mit seinem Sternzeichen, seiner Partei oder seinem Geschlecht identifizieren musste, sieht man jetzt, dass diese Schubladen immer nur eine Perspektive der Realität darstellen können. Und dass viele dieser Kategorien einen Anfangspunkt darstellen und dass alles transformiert werden kann und auch sollte, damit kein Entwicklungsstillstand eintritt. Das Bedürfnis nach Gesellschaft nimmt wieder zu. Man wünscht Menschen in seinem Leben, die einen in der eigenen Entwicklung unterstützen. Man erkennt, dass menschliche Bedürfnisse nach Nähe, Sex und Austausch nicht gleichbedeutend mit Abhängigkeit sind.

Während nur ca. 30-35% aller Erwachsenen jemals im Self-Authoring-Mind wirklich ankommen, sind es bei dem Self-Transforming-Mind nur noch 1%. Bei diesen statistischen Angaben handelt es sich um Menschen, die stabil, also ohne die Gefahr der Regression, aus Sicht dieser fortgeschrittenen erwachsenen Stufen der Hirnentwicklung agieren können. Voraussetzung für diese Stabilität ist somit die Abwesenheit von Entwicklungslücken.

Entwicklung hört auch mit dem Self-Authoring-Mind und dem Self-Transforming-Mind nicht auf. Doch wie sich die nächsten Stadien der erwachsenen Entwicklung äußern könnten, wird sich nur Menschen offenbaren, welche ihre Entwicklung bis zu diesen Stadien lückenlos vollzogen haben. Ziel ist nicht möglichst schnell höher und weiter zu kommen, sondern zum Wohle aller wirklich zu reifen.

Rekapitulation durch Neurotraining

Diese Stufen können sich in stressigen Situationen im Sinne einer ungewollten Regression zeigen. Doch auch während des Neurotrainings können diese Stufen noch einmal kurz auftauchen, da das Training ja immer am Anfang der Entwicklung beginnt. Der Trainierende rekapituliert im Schnelldurchlauf seine eigene Entwicklung, um Lücken zu schließen.

Die entsprechenden Themen der jeweiligen Stufe können sich dann verstärkt zeigen. Grund dafür ist das Zellgedächtnis, wodurch z.B. auch heftige Emotionen noch einmal hoch kochen können, die in einem bestimmten Stadium der Entwicklung erlebt worden sind und nun durch bestimmte Bewegungen reaktiviert werden: “Von eben diesem limbischen System aus entstehen Empfindungen, Leidenschaft, Antrieb, Angst, Wut und Trauer. Wenn der Hirnstamm für das Überleben steht, so sind es das Mittelhirn und das limbische System, die das darstellen, was wir Instinkt nennen. Letztere steuern auch größtenteils unseren Stoffwechsel und unsere Stoffwechselreaktionen auf die uns umgebende Welt. Das limbische System ist also in die Abspeicherung von Erinnerungen involviert, weshalb Kinder besser zu lernen scheinen, wenn sie körperlich und gefühlsmäßig mit dem Lerngegenstand verbunden sind. Auch kann diese Involvierung der Grund dafür sein, dass durch die Erinnerung an frühere traumatische Erlebnisse die physischen Gefühle von Angst und Entsetzen, die mit dem ursprünglichen Geschehen verbunden waren, wieder erweckt werden.”

6Blythe, Sally Goddard. Greifen und BeGreifen: Wie Lernen und Verhalten mit frühkindlichen Reflexen zusammenhängen (German Edition) . VAK. Kindle-Version.

Bilder: eigenes Werk/Canva, Titelbild:  United States Geological Survey – Graham, Joseph, Newman, William, and Stacy, John, 2008, The geologic time spiral—A path to the past (ver. 1.1): U.S. Geological Survey General Information Product 58, poster, 1 sheet. Available online (gemeinfrei)

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